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Der Traumgörge

Alexander Zemlinsky 1871—1942

Oper in zwei Akten und einem Nachspiel
Text von Leo Feld
Uraufführung 1980, Opernhaus, Nürnberg, Kritische Neuausgabe (2003)

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Einführungen eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn im Holzfoyer. Die Audioeinführung sowie weitere spannende Inhalte zur Produktion finden Sie im Opernappetizer auf unserem Blog.

Am 24. März findet die 7. Kammermusik anlässlich der Premiere von Der Traumgörge statt.

Musikalische Leitung Markus Poschner

Görge AJ Glueckert
Prinzessin / Gertraud Zuzana Marková
Grete Magdalena Hinterdobler
Hans Liviu Holender
Marei Juanita Lascarro
Müller Dietrich Volle
Pastor Alfred Reiter
Züngl Michael Porter
Kaspar Iain MacNeil
Mathes Mikołaj Trąbka
Wirtin Barbara Zechmeister
Wirt Andrew Bidlack
Ein Bauer Thomas Schobert
Ein älterer Bauer Lars Rößler
Erster Bursche Alexey Egorov
Zweiter Bursche Yongchul Lim
Eine Traumstimme Tiina Lönnmark
 

(…) Eine bedeutende Ausgrabung, ein großer Abend, zeitlos, aber aktuell. (…)

Zu dieser außergewöhnlichen Opernausgrabung gehört eine versonnene Musik, die blüht und doch schweigen möchte, eine Musik, die vollen Ausdruck sucht für einen Menschen, der ernsthaft introvertiert ist. Das ist bereits das erste Kunststück. Das zweite ist eine wunderliche vielschichtige Handlung, die in Frankfurt scheinbar schlicht, aber doch abgründig genug dargeboten wird. Der gereimte Text ist sehr schwach – was für eine Vorstellung, dem Komponisten hätte ein besserer Librettist zur Seite gestanden – und doch kann man sich vom symbolistischen Überschuss packen lassen. (…)

Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau


(…) Jubelstürme erntete die erste szenische Frankfurter Aufführung von Alexander Zemlinskys Oper Der Traumgörge in der nur vordergründig schlichten Inszenierung von Tilmann Köhler. Vor allen anderen bejubelte das Publikum am Sonntagabend das engagierte Dirigat Markus Poschners, der das Orchester nicht nur zu feinster Differenzierung in den extrem aufgefächerten Schwebezuständen Zemlinskys antrieb, sondern auch die aufpeitschenden Rhythmen der Dorfgemeinschaft mühelos bis zum blutigen Pogromrausch steigerte.
(…)
Alle Sängerinnen und Sänger geben an diesem Abend ihr überaus schwieriges Rollendebüt. Besonders eindrücklich sang und agierte die tschechische Gastsopranistin Zuzana Marková in ihrer Doppelrolle als Prinzessin und Gertraud. Alle übrigen Rollen waren mit Ensemblemitgliedern besetzt: AJ Glueckert in der Titelpartie überzeugte mit Durchsetzungskraft und edlem Tenor, Magdalena Hinterdobler als zupackende Grete und Liviu Holender in der Rolle des aufdringlichen Hans. Grandios auch das blutgierige Dorftrio Kaspar (Iain MacNeil), Züngl (Michael Porter) und Mathes (Mikolaj Trabka). Wieder überragend: Der Frankfurter Chor und Kinderchor in prägnant inszenierten Szenen, die das Glück des Liebespaares bedrohen.

Bettina Boyens / Wieland Aschinger, www.musik-heute.de


(…) Köhlers Inszenierung kommt das sagenhaft schöne Licht von Jan Hartmann zur Hilfe. (…) Die ganze Inszenierung ist ein Lichtgedicht. (…)

Jan Brachmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung


(…) Görge ist ein Träumer, ein dem Komponisten ähnlicher Außenseiter, der sich lieber an den Wänden und am Bühnenrand herumdrückt statt im Mittelpunkt die Fäuste zu recken. Dauernd präsent, sinnierend, philosophierend, lesend – eine monströse Rolle, die selbst einen grandiosen, unverwüstlich kraftvollen Sänger wie AJ Glueckert an die Grenzen treibt. (…)

Andreas Bomba, Frankfurter Neue Presse


(…) Doch geschieht das alles wirklich? Ist es nicht alles Traum? Das bleibt auf kluge Weise unscharf, wenn sich über die Szene Lichtspiegelungen legen, wie sie Wasserwellen werfen. Dank der exakten Personenregie Köhlers jedenfalls werden die Figuren ebenso fassbar wie durch die so typengerechte wie vokal starke Besetzung der zentralen Partien (…).

Axel Zibulski, Rhein-Zeitung


(…) Das Sängerensemble meistert die stimmlichen Herausforderungen mit Bravour. AJ Glueckert als Görge beweist nicht nur Durchhaltevermögen. Mit strahlender Opulenz behauptet er sich in dieser anspruchsvollen wie fordernden Partie. Zuzana Marková begeistert in der Doppelrolle als Prinzessin und Gertraud. So asketisch wie ihr Auftritt mutet ihr Gesang. Glasklar, gradlinig, zauberhaft schön. In den kleineren Rollen sticht Iain MacNeil als Kaspar hervor. Er fegt über die Bühne wie ein jugendlicher Revolutionär und singt dabei kraftvoll gewinnend. Der Chor der Oper Frankfurt meistert dieses zum Teil sehr komplexe Klangabenteuer mit enormer Stimmkraft. Die Jugend mimt ihren Part anmutig. (…)

Christiane Franke, www.klassik.com


(…) Im Schlussbild bekennt das Regieteam noch einmal Farbe. „Träumen und spielen“ singen Görge und Gertraud. Sie schaukelt beseelt, berieselt von Glitzerkram, ihm genügen ein paar Steine vom Bach, um eine ganze Kinderschar in seine Fantasiewelt zu entführen. Wie schön, dass auf der Opernbühne weiter fabuliert wird und der Traumgörge nicht als verloren gelten muss.

Christoph Becher, www.nmz.de (neue musikzeitung)

Märchenwelten, die lebendig werden: Utopien oder Alpträume?

Um die Wende zum 20. Jahrhundert erlebte Wien eine kulturelle Blüte epochaler Bedeutung. Dabei avancierten Sigmund Freuds Traumforschungen und seine Deutungen der Welt des Unbewussten zu den stärksten Inspirationsquellen für Literatur, Theater und Musik. Auch Görge, der Titelheld von Zemlinskys Oper, verarbeitet in seinen Träumen Ängste und Schicksalsschläge. Er lebt in der Welt seiner Bücher und verliebt sich in eine Traumprinzessin. Allerdings soll er Grete heiraten, eine bodenständige junge Frau, die sich von ihm mehr Realitätssinn wünscht. Doch Görge will sein Lebensmärchen verwirklichen und flieht. Er strandet als Trinker in einem Dorf und wird wieder als Außenseiter betrachtet. In Gertraud, die als Brandstifterin und Hexe verschrien ist, erkennt Görge seine Prinzessin wieder. Mit ihr kann er seinen Märchen lauschen, träumen, schweigen und spielen.

Die zentralen Themen der Oper, Ablehnung und Hass gegenüber Fremden, ziehen sich wie ein roter Faden auch durch die Biografie von Alexander Zemlinsky: In Wien erlebte er die ersten antisemitischen Ausschreitungen, die sich auch gegen Künstler*innen richteten. Eines der prominenten Opfer war Hofoperndirektor Gustav Mahler, der ihn mit der Komposition beauftragt hatte. Auch seine unglückliche Liebe zu Alma Schindler und sein Kummer flossen in Zemlinskys dritte Oper ein. Nach Mahlers Entlassung 1907 wurde die Premiere umstandslos gestrichen. So kam das Werk erst 1980 als Höhepunkt einer Zemlinsky Renaissance in Nürnberg endlich zur Uraufführung. Seine hochromantische Musik erinnert zwar an Wagner, Mahler oder Humperdinck, wirkt aber immer originell und inspiriert. Zemlinskys Partitur glänzt durch brillante Einfälle und raffinierte harmonische Konstellationen, die für expressive Momente in einer Geschichte über Außenseitertum, verzerrte Märchenwelten und Lebensalternativen sorgen.

Mit freundlicher Unterstützung