Bravochöre brandeten Heather Engebretson entgegen, als sie am Sonntagabend nach ihrem überragenden Debüt von Puccinis Madama Butterfly an der Frankfurter Oper allein vor den Vorhang trat. Ihre tief bewegende Verkörperung der japanischen Geisha Cio-Cio-San, der sie mit mutigem Körper- und Stimmeinsatz tragische Größe verlieh, ließ niemandem im vollbesetzten Opernhaus kalt. (…)
Bettina Boyens / Wieland Aschinger, www.musik-heute.de
(…) Fabelhaft an ihrer Seite nun die japanisch-amerikanische Mezzosopranistin Kelsey Lauritano als todernste, ungemein präsente Suzuki. Sie trägt Kammerzofenmontur, denn alles Japanische ist abgedrängt, die Fremdheit der Kulturen, die gerade in Suzukis ersten Auftritten mit Pinkerton glasklar sich spiegelt, entwickelt sich von selbst, nicht durch exotisierende Accessoires. Das ist mutig, und es funktioniert weitgehend.
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Konsul Sharpless ist der andere kluge, mitleidige Beobachter (natürlich viel mächtiger als Suzuki, aber als amerikanischer Mann dann doch auf der Seite des amerikanischen Mannes), mit milder Noblesse gesungen und gespielt von Domen Križaj. Als Ersatz für Evan LeRoy Johnson als Pinkerton sprang der Italiener Vincenzo Costanzo kurzfristig in die Produktion ein, macht das gut, wirkt stimmlich zunächst leicht gebremst, bietet aber starke, reine Höhen und ist auch für die nächsten zwei Vorstellungen eingeplant. [Regisseur] Schlathers Sympathien, um das noch einmal zu sagen, gehen nicht mit diesem Landsmann, beide übrigens in kurzen Hosen, Pinkerton bei seiner Hochzeit, Schlather beim Premierenbeifall.
Jenseits des zentralen Quartetts zahlreiche teils feine, teils flüchtigere Vignetten, Hans-Jürgen Lazar wird in Erinnerung bleiben als markanter, ungemütlicher Goro, weit entfernt von der possierlichen Karikatur, als die der Heiratsvermittler sonst oft auftritt. Mit Kihwan Sim als wutschnaubendem Onkel Bonze nimmt der kulturelle Clash einmal wirklich Fahrt auf. (…)
Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau
(…) Doch der sonstige musikdramatische Horizont wurde von Dirigent Antonello Manacorda und dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester vielfältig aufgespannt: da war ein unsentimental schneller Einstieg fern aller Räucherstäbchen-Schwelgerei, da waren feine Piano-Ziselierung um Blütenzauber, Summ-Chor und Morgendämmerung – und dann fulminante Dramatik im Zwischenspiel wie im Finale. (…)
Wolf-Dieter Peter, www.nmz.de (neue musikzeitung)
(…) Und dann ist da plötzlich im zweiten Akt das Kind. Abgöttisch verehrt von Cio-Cio San als Zeugnis ihrer Liebesillusion mit Pinkerton. Als er bei seiner Rückkehr an der Seite seiner richtigen amerikanischen Frau auch noch dieses gemeinsame Kind ausgeliefert haben will, begeht sie vor dessen Augen Selbstmord. Die davor geschobene Wand verdeckt ihn gnädig vor unseren Augen. Wir sehen nur den allein gelassenen Jungen mit schlenkernden Beinen auf dem Stuhl sitzen. Das ist das grausamste Bild des Abends. R.B. Schlather inszeniert die Tragödie der an ihren Illusionen scheiternden Menschen. Überflüssiger Exotismus spielt da wahrlich keine Rolle mehr. (…)
Bernd Künzig, SWR 2 / Journal am Mittag
(…) Bloß kein Japan-Kitsch dachte sich in Frankfurt auch Regisseur R.B. Schlather, dem mit Bühnenbildner Johannes Leiacker ein Purist ersten Ranges und mit Dirigent Antonello Manacorda ein ausdauernder Puccini-Forensiker zur Seite stand. Gemeinsam formulierten sie die universelle Sendung: Käufliche Liebe gibt es auch heute überall, nicht nur im Nagasaki der Jahrhundertwende. (…)
Bettina Boyens, Frankfurter Neue Presse
(…) In dieser völlig reduzierten Ausstattung, die jedes fernöstliche Kolorit ausblendet, erzählt der amerikanische Regisseur R.B. Schlather Puccinis 1904 an der Mailänder Scala uraufgeführte Operntragödie ganz auf die Personenführung hin konzentriert; die japanische Tänzerin Sonoko Kamimura stand ihm dabei choreografisch zur Seite. Wie in einem Kammerspiel auf weit offener Bühne lassen sich in Frankfurt die beiden so unterschiedlich sich entwickelnden Akte verfolgen. Der erste, in dem Cio-Cio-San sich für Pinkerton von ihrer Familie und ihrer Religion lossagt, endet mit dem finalen Liebesduett in dem einzigen Illusionsraum, den Schlather in seiner Inszenierung zulässt. Nicht nur über der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum leuchtet der Sternenhimmel des Opernhauses so kräftig, dass die Fallhöhe zum zweiten Akt, der drei Jahre später spielt, noch einmal vergrößert wird. Er ist ein einziges Warten auf Pinkertons Rückkehr. Durch die absolute Reduktion der szenischen Mittel wirkt es umso belastender, wenn Cio-Cio- San verarmt, nur mit ihrer Dienerin Suzuki und dem zwischenzeitlich geborenen Sohn auf dessen amerikanischen Vater wartet. (…)
Axel Zibulski, Wiesbadener Kurier
(…) Der böse Kern der Geschichte, den R.B. Schlather auf der nackten, kalten Bühne freilegt, rührt nicht, er schmerzt. (…)
Michael Demel, www.deropernfreund.de