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Blühen

Vito Žuraj *1979

Oper in sieben Bildern
Text von Händl Klaus frei nach Thomas Manns Erzählung Die Betrogene (1953)
Auftragswerk der Oper Frankfurt

In deutscher und englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Einführungen eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn im Bockenheimer Depot und als Video

Musikalische Leitung Michael Wendeberg

Aurelia Bianca Andrew
Anna Nika Gorič
Ken Michael Porter / Christopher Sokolowski (musikalisch), Moritz Brachmann (szenisch) (28.1.) 
Dr. Muthesius Alfred Reiter
Edgar Jarrett Porter°

°Mitglied des Opernstudios

Der Komponist Vito Žuraj und der Dramatiker Händl Klaus haben Thomas Manns Novelle Die Betrogene als Opernstoff bearbeitet. Das Ergebnis: kluges Musiktheater, das berührt. (…)
Gäbe es einen Nobelpreis für Zynismus, Thomas Mann hätte ihn für seine letzte Novelle verdient. Erbarmungsloser, hoffnungsloser, trauriger geht es nimmer: Eine ältere Frau nach dem Klimakterium verliebt sich in einen jungen Studenten. Als die Beziehung körperlich wird, setzen (wieder) Blutungen ein, was die Verliebte als Verjüngung interpretiert, als Zeichen neuer Fruchtbarkeit. Doch in Wirklichkeit handelt es sich um einen bösartigen Tumor...
Gäbe es einen Nobelpreis für eine gefühlvolle, völlig antizynische Umsetzung dieser Geschichte, der slowenische Komponist Vito Žuraj und der aus Tirol stammende Dramatiker Händl Klaus hätten ihn verdient. Zwar werden auch hier in rund 75 Minuten viele grausame Details erzählt, aber es gibt eine große Zugewandtheit der Autoren zur leidenden, sterbenden Frau. (…)

Jörn Florian Fuchs, BR-Klassik / Leporello


(…) Die Inszenierung von Brigitte Fassbaender lässt sich in einer hochrühmlichen Art vorbehaltlos auf das Stück ein; sie lässt den Figuren Raum. Ein variabel raumteilendes Element auf der Bühne von Martina Segna sind Reihen von schlanken Pfählen, deren knospende Äste an Weidenkätzchen erinnern, zugleich aber auch weitere, dunklere Assoziationen zulas­sen, etwa an Geschwüre. (…)

Stefan Michalzik, Darmstädter Echo


(…) Die Solisten bilden ein Ensemblewunder. Bianca Andrew als Aurelia ist so glaubwürdig wie berührend. Die Anna von Nika Gorič als Tochter mit Klumpfußhandicap wandelt sich zu einer den mütterlichen Verlust Betrauerenden. Jarrett Porter ist ein einfühlsamer Sohn, der machtvolle Bass von Alfred Reiter verkörpert den Arzt als archaischen Todeskünder. Und der lyrische Tenor von Michael Porters Ken ist ein zutiefst ehrlich Liebender. Die Uraufführung von Vito Žurajs und Händl Klaus’ Blühen an der Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot ist ein Riesenerfolg für die zeitgenössische Oper.

Bernd Künzig, SWR 2 / Am Morgen


(…) Eine besondere Rolle kommt dabei einem gemischten Vokal­ensemble – exzellent einstu­diert von Takeshi Moriuchi – zu, ein steter emotionaler Be­gleiter der Protagonistin, aus­schließlich in einer Lautlich­keit, die vorwiegend stoßweise oder in langgezogenen Wellen­bewegungen hervorgebracht wird. (…)

Stefan Michalzik, Allgemeine Zeitung Mainz


(…) Wie verbunden sich Vito  Žuraj mit dem Ensemble Modern fühlt, lässt sich in jeder der 75 Premierenminuten bewundern. Beson­ders der musikdramatische Spannungsabfall der aus sieben Bil­dern bestehenden Oper ist unge­wöhnlich. So zeigt  Žuraj bereits zu Anfang im pochenden Blech das wuchernd Ungesunde und lässt die 20 solistisch aufspielen­den Frankfurter Musiker unter Leitung von Michael Wendeberg pulsieren und sprießen, während Aurelia noch mit glitzernden Celestaklängen von einer rosigen Zukunft träumt. (…)

Bettina Boyens, Frankfurter Neue Presse


(…) Regisseurin Brigitte Fassbaender hat ein kleines und ungemein fesselndes Meisterdrama abgeliefert. Mit zudem bis auf eine Sängerin lauter Eigengewächsen der Oper bestückt. Und es verdient jeden Respekt – auch wenn das Thema eines ist, dem man sich nicht gerne stellt.

Bettina Kneller, Main-Echo Aschaffenburg


(…) In gewisser Weise ist das alles dann doch wieder ganz klas­sisch, nur eben mit Mitteln des 21. Jahrhunderts. Vito Žurajs Musiksprache ist gekennzeich­net durch vor allem geräuschhaft-bewegte Instrumentalfar­ben; jeder Figur ist leitmotivisch ein Instrument zugeordnet Mit­unter wirkt das beinahe wie eine avantgardistische Filmmu­sik. Auf eines setzt der 43-jähri­ge Komponist ganz und gar nicht: Klangwucht. Weitreichend sind es eher gedämpfte, verhaltene Klänge, aus denen er eine singuläre Wirkung zieht.
Dramaturgisch so schlicht wie wirkungsvoll wird erzählt in der Form einer Stationen-Chronik. Das geht zunächst recht ge­schwind und kulminiert in einem sehr unmittelbaren Bild der erotischen Erfüllung. Viel Zeit nimmt dann schließlich die Sterbeszene ein. Im Hinter­grund bricht ein gewaltiges Krebsgeschwür aus der Wand, die instrumentale Textur ist nun ausschließlich perkussiv, vor­wiegend sind es Klangschalen, die von den Musikern ange­schlagen werden.
Mit einem außerordentlichen Klangsinn agierte das Ensemb­le Modern unter der das Zarte, Leise, Intime rückhaltlos auslo­tenden Hand von Michael Wen­deberg. Ein Abend von einer äußersten Eindringlichkeit, nicht zuletzt ob der Einheit al­ler Elemente.

Stefan Michalzik, Wiesbadener Kurier


(…) Die Regie findet in einer abstrakten Umgebung zu so viel Menschlichkeit, dass es erschütternd ist. Erschütternd auch, wie selten man das auf der Bühne sieht: Menschen.

Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau


(…) Aus der großen Mezzosopranistin von einst [Brigitte Fassbaender], der sinnlichsten von allen, ist längst eine der großen Opernregisseurinnen unserer Zeit geworden, die noch mit über achtzig Jahren Mut zu ganz Neuem beweist.

Jan Brachmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Eine Frau verliebt sich in einen Mann, der ihr Sohn sein könnte. Sie hat das Gefühl, eine körperliche Verjüngung zu erleben, und wird auf dem Höhepunkt ihrer Hingabe mit der Nachricht konfrontiert, unheilbar krank zu sein.

In einer bestürzenden Dialektik von Leben und Tod hat Thomas Mann die paradoxe Situation seiner Erzählung Die Betrogene entworfen. Blühen nennen Librettist Händl Klaus und Komponist Vito Žuraj ihre Oper in sieben Bildern, welche den Stoff siebzig Jahre später weiter verdichtet und das subjektive Erleben der Protagonistin, die hier Aurelia heißt, fokussiert. Umso ambivalenter stellt sich ihr Verhältnis zur eigenen Tochter Anna dar, umso mehr erscheint der Austausch der beiden Frauen auch als eine Auseinandersetzung mit eigenen Ängsten und Unsicherheiten.

Die inhaltliche Konzentrierung schafft Leerstellen im Libretto, die eine Vertonung geradezu herausfordern. Sie verleiht nicht nur den Figuren einen je eigenen musikalischen Ausdruck und somit unverwechselbaren Charakter, sondern lässt auch der Erzählung zugrunde liegende Größen wie Schicksal und Zeit hörbar werden. Ein Chor durchzieht das Werk als besondere Klangfarbe, die den Weg Aurelias begleitet und sich schließlich in ihr »inneres Du« auflöst. So spürt die Oper jener Klanglichkeit nach, die in der Prosa der Vorlage bereits angelegt ist, und sucht zugleich überaus nuanciert nach neuen, eigenen Farbtönen.

Blühen ist die zweite Oper des slowenischen Komponisten Vito Žuraj, der u. a. mit dem Claudio-Abbado Kompositionspreis der Berliner Philharmoniker ausgezeichnet wurde. Seine Werke verbinden die Ästhetik und Technik elektronischer Klangerzeugung mit klassischem Instrumentarium – in einer eigenständigen musikalischen Sprache, die stets sinnlich bleibt. Das Komponieren für die menschliche Stimme ist Vito Žuraj ein großes Anliegen. In bedeutenden Konzertsälen und bei wichtigen Festivals bringen Klangkörper wie das New York Philharmonic Orchestra, BBC Scottish Symphony Orchestra, Ensemble intercontemporain oder der RIAS Kammerchor seine Musik zu Gehör; dem Ensemble Modern ist der Komponist seit über zehn Jahren besonders verbunden.

Mit freundlicher Unterstützung