Spielplan

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Le Grand Macabre

György Ligeti 1923–2006

Oper in zwei Akten
Text von Michael Meschke und György Ligeti nach Michel de Ghelderode
Uraufführung 1978, Königliches Theater, Stockholm (revidierte Fassung von 1996)

In englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Bitte beachten Sie, dass bei dieser Produktion ein stroboskopischer Effekt zum Einsatz kommt.

Einführungen eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn im Holzfoyer und als Audio auf allen gängigen Podcast-Plattformen.

Musikalische Leitung Thomas Guggeis

Nekrotzar Simon Neal
Piet vom Fass Peter Marsh
Fürst Go-Go Eric Jurenas
Venus / Chef der Gepopo Anna Nekhames
Astradamors Alfred Reiter
Mescalina Claire Barnett-Jones
Weißer Minister Michael McCown
Schwarzer Minister Iain MacNeil
Amanda Elizabeth Reiter
Amando Karolina Makuła

(…) Es ist eine brillante Produktion geworden, eine virtuos umdeutende Inszenierung von Vasily Barkhatov, eine souveräne musikalische Leitung von Thomas Gugg­eis, großartige darstellerische und musikalische Leistungen aller Beteiligten. Schauwerte aller Arten werden geboten, Ligetis Oper beweist auch ihre musikalische Lebendigkeit. (…)

Wolfgang Fuhrmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung


(…) Gesungen und musiziert wird auf allerhöchstem Niveau: Am Pult surft der neue Generalmusikdirektor Thomas Guggeis mit seinen Musikern stilsicher durch 500 Jahre Operngeschichte und beweist dabei von der eröffnenden „Toccata für zwölf Autohupen“ bis zur abschließenden Passacaglia trotz des ständigen Wechsels zwischen extremen Prestissimi und enervierender Langsamkeit Nerven wie Drahtseile. Zu Recht holt er am Ende das komplette, immer wieder bis an die Grenzen der Überforderung getriebene Orchester zum Schlussapplaus auf die Bühne. Die aufregendsten Sängerinnen stammen aus dem Ensemble: Sopranistin Anna Nekhames in der rasanten Doppelrolle als Venus und Chef der Gepopo sprengt alle Grenzen, ebenso Elizabeth Reiter als Amanda und die wandlungsfähige Karolina Makuła in der Rolle Amandos. Überragend auch die Gäste Eric Jurenas (Fürst Go-Go), die wollüstige Mescalina von Claire Barnett-Jones und der von Einsamkeit umwehte Simon Neal als Nekrotzar. Alle geben am Premierenabend ihr überaus beeindruckendes Rollendebüt.

Bettina Boyens / Wieland Aschinger, www.musik-heute.de


(…) Tilman Michaels Chöre waren in Fernwirkung, mehrfach geteilt und vor allem in Dutzende abstruse Kostümrollen aufgeteilt dennoch die abstoßend realitätsblinde, selbstsüchtige „Gesellschaft“. Sie alle führte der neue GMD Thomas Guggeis mit dezidierter Zeichengebung durch Ligetis rhythmische und tonale „Chaoswelt“. Musik und Szene fanden zusammen – zu einer bitteren Parabel, deren eines Ende eindeutig auf uns zeigt. Dafür gab es einhelliges Bravo – auch für den Kostümzauber von Olga Shaishmelashvili, den Bühnenzauber zwischen Autobahn und Protz-Casino von Zinovy Margolin und die all diese Disparatheit aussagekräftig formende Regie von Vasily Barkhatov. Ein Festabend modernen Musiktheaters – mit erschreckender Spiegelwirkung.

Wolf-Dieter Peter, www.nmz.de (neue musikzeitung)


(…) Aus Venus wird der Chef der Geheimpolizei Gepopo, eine Partie, in der die Sopranistin Anna Nekhames ihre halsbrecherischen Koloraturen zu sinnlosen Wortkaskaden technisch exzellent in den Raum stellt. Überhaupt leistet das Frankfurter Ensemble Großartiges: Der in der Höhe keine Grenzen kennende Tenor Peter Marsh als Piet vom Fass, der kunstvoll exaltierte Countertenor Eric Jurenas als Fürst Go-Go, aber auch Simon Neals entfernt an Wagners Wotan erinnernder Nekrotzar sind Besetzungen mit Referenzcharakter. (…)

Axel Zibulski, Darmstädter Echo


(…) Nach der vermeintlichen Apokalypse raucht Nekrotzar [Simon Neal] zufrieden die Kippe danach, befriedigt annehmend, dass er ja recht hatte mit dem Weltuntergang. Dann kommt eine Putzmannschaft rein, fängt an, die Party aufzuräumen, die desillusionierten Partygäste machen sich taumelnd vom Acker. Wahrheit und Wirklichkeit kommen an. (…) Währenddessen sitzt Nekrotzar allein an der Bar und schaut die täglichen Katastrophennachrichten, auch er ist in der wirklichen Realität gefangen und angekommen. Apokalypse live!

Martina Jacobi, www.die-deutsche-buehne.de


(…) Wie gut, dass [Regisseur] Barkhatov bei alldem auf allzu vordergründige Parallelen zu aktuellen Krisen verzichtet. Nur einmal kommen sie ins Bild, ganz am Ende, als Nekrotzar geknickt in einen Fernseher schaut, in dem Bilder von Häusern zu sehen sind, die zu schwarzen Wolken verdampfen – vielleicht in der Ukraine, vielleicht im Nahen Osten. Der Todesverkünder kapituliert vor der Realität unserer Welt, die ihm seine Aufgabe einfach abnimmt: Eine starke Schlusswendung vor dem Hintergrund, dass in Ligetis Oper der Komet eigentlich an der Erde vorbeifliegt, ihr Untergang ausbleibt und die Menschen zum Weiterleben miteinander gezwungen sind. Vielleicht hätte das sogar Ligeti selbst überzeugt, der in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden wäre und sich über die Inszenierungen bis zu seinem Tod 2006 unzufrieden äußerte.
Über jeden Zweifel erhaben ist die Umsetzung der Partitur durch das Frankfurter Opern- und Museumsorchester, das vom barocken Tanz bis zur Zwölftonreihe vieles mit Scharfblick dekonstruiert. Perfekt koordiniert wird es von Frankfurts neuem Generalmusikdirektor Thomas Guggeis, der nun, nach der exzellent dirigierten Premiere von Mozarts Le nozze di Figaro zum Saisonbeginn, mit Ligetis modernem Klassiker erneut brilliert.

Axel Zibulski, Wiesbadener Kurier


(…) Nach der Pause versammeln sich Fantasy-Figuren und Personal der Welt-, Kunst- und Kulturgeschichte von Nofretete bis Elton John in einer Disco zum Doomsday, dem Tag der Abrechnung. Als Chor (Einstudierung: Tilman Michael) müssen sie auch noch singen, besser: Klänge erzeugen. Bekrönt mit einer gigantischen roten Plüsch-Mütze (dafür gibt’s Szenenbeifall!) ist Fürst Go-Go (Eric Jurenas) der Gastgeber – allein die Namen der Figuren sind Programm. Einen besonders schrillen Auftritt genießt der Chef der Geheimen Politik-Polizei (Gepopo); Anna Nekhames agierte in der ersten Hälfte noch als liebestiftende Venus, das passt dialektisch gut zusammen! Auch Erich Mielke liebte alle Menschen. Dann betreten vier echte Musiker aus dem Orchester in flauschigen Engelskostümen die Szene – ein Moment mit Kult-Potenzial. Die detailbesessene Fülle des von Olga Shaishmelashvili angerichteten und von Joachim Klein ausgeleuchteten Kostümfestes wird man nur bei mehrmaligem Besuch gänzlich entdecken können. Strippenzieher und Hexenmeister ist Nekrotzar, der Große Makabre; Simon Neal mangelt es nicht an apokalyptischer Würde, brillant seine Wandlungsfähigkeit vom Zauberer zum Priester oder Untergangsprediger im Habitus republikanischer Senatoren. Den Assoziationen sind keine Grenzen gesetzt. Auch kirchliche Bilder gehören dazu. Die Geschichte vom Jüngsten Gericht steht schließlich schon in der Bibel. Oder lautet ganz volkstümlich: „Lebbe geht wieder“. Starker, ungetrübter Beifall.

Andreas Bomba, Frankfurter Neue Presse


(…) Während Frankfurts neuer GMD Thomas Guggeis dem Orchester ordentlich feixend Zunder gibt, Krawall und Kunstgetöse aber fein artifiziell aufspreizt, (…) verbringt man in Frankfurt (…) etwas mehr als zwei unterhaltsame Spielstunden in englischer Sprache. (…)

Manuel Brug, Die Welt

Endzeitstimmung in Breughelland: Ein Sensenmann kündigt den Weltuntergang für Mitternacht an. Die Zeit läuft …

Im Angesicht der bevorstehenden Katastrophe scheint es mit der Sorglosigkeit im imaginären Fürstentum vorbei zu sein. Während ein Liebespaar ganz in seiner Lust vergehen möchte, spannt der selbsternannte Todesprophet Nekrotzar den weinseligen Piet vom Fass und den Sternengucker Astradamors als Gehilfen ein und zieht zum Palast. Dort hat die Schreckensnachricht den allseits beliebten Fürsten und die intriganten Minister bereits durch den Chef der Gepopo, der Geheimen Politischen Polizei, erreicht.

Geräuschvoll, traumwandlerisch und ziemlich schräg hüllt sich Ligetis Endspiel-Oper in einen kunterbunten Mantel, unter dem der Schabernack regiert. Das Schauspiel La Balade du Grand Macabre des Belgiers Michel de Ghelderode, eine Art absurdes Mysterienspiel von 1934, liefert dem Komponisten den tragikomischen Stoff für sein Musiktheater, das im Auftrag des Königlichen Opernhauses in Stockholm entsteht. Als Kommentar auf die Dogmen der musikalischen Avantgarde der Zeit nennt der in Rumänien geborene und seit 1956 im Exil lebende Ungar sein Werk augenzwinkernd eine »Anti-Anti-Oper« – im Grunde die Rückkehr zur Oper im traditionellen Sinne, allerdings »gefährlich, übertrieben, ganz verrückt und dreckig«. Inspiriert vom Prinzip der Pop-Art, überlagern sich allerhand musikalische Anleihen, verfremdete Zitate und der derb komische Text zu einem überdrehten Stilmix: Alltagsgegenstände tönen, halsbrecherische Koloraturkaskaden wirbeln, Requiem- Splitter tauchen auf, Himmelsklänge schweben.

Die Musik ist dabei stets der Motor für die skurrilen Typen dieses verlotterten Welttheaters, das zudem mit dem wohl herrlichsten Besäufnis der Operngeschichte aufwartet. In einem ordentlichen Rausch zeigt die Apokalypse gleich ein anderes Gesicht. Ganz nach dem Motto »kein Spiel ohne Ernst« – oder umgekehrt – lässt Ligetis Weltuntergangsgroteske über Sinn und Unsinn der menschlichen Existenz nachdenken.

Mit freundlicher Unterstützung