Christoph von Dohnányi 1929–2025
Christoph von Dohnányi gehörte über ein halbes Jahrhundert zu den führenden Dirigentenpersönlichkeiten des internationalen Opern- und Konzertlebens. In seinen neun Frankfurter Opernjahren (1968–1977) als GMD und Operndirektor hat er die Geschichte des Hauses maßstäblich geprägt. In einem persönlichen Nachruf nimmt unser GMD Thomas Guggeis Abschied von Christoph von Dohnányi und blickt auf ihren gemeinsamen Weg zurück.
»Christoph von Dohnányi hat mit seinem unnachgiebigen Streben nach Exzellenz und seiner unbestechlichen künstlerischen Moral nicht nur die Oper Frankfurt als einer meiner Vorgänger wesentlich geprägt, sondern auch mich ganz persönlich nachhaltig beeinflusst: Ich durfte 2018 als sein Assistent bei der Berliner Neuproduktion von Salome Zeuge seiner bedingungslosen Suche nach musikdramatischer Perfektion werden – auch und gerade dann, wenn es unbequem wurde. Er hatte in seiner Frankfurter Zeit gemeinsam mit Hans Neuenfels den Weg für das moderne Musiktheater bereitet – in dieser Produktion konnten und wollten sie diesen Weg nicht zusammen weitergehen, zu groß war von Dohnányis Respekt vor der Integrität des Werks. So sagte er ab und unterstützte mich mit aller Kraft bei der Übernahme der Premiere, in der auch ein gewisser Bernd Loebe saß – das war der Startpunkt meiner Karriere und meines Wegs an dieses einzigartige Haus, das ich heute musikalisch leiten darf.
Christoph von Dohnányi und ich sind in den letzten Jahren oft in Kontakt gewesen, er hat mich immer wieder mit wertvollen Ratschlägen begleitet, mein Debütkonzert mit den Wiener Philharmonikern besucht – natürlich nicht ohne eine kleine und unendlich hilfreiche Manöverkritik während der Pause in meiner Garderobe. Er hat der Oper Frankfurt und mir als Zeichen der Verbundenheit einen wesentlichen Teil seiner Partiturenbibliothek als Vorlass vermacht. An ihr wird deutlich, was für ein vielseitiger und ernsthafter Musiker er war: zahllose Partituren von Uraufführungen, unbekannte Werke, die ihrer Wiederentdeckung harren, aber natürlich auch die großen Meisterwerke des Kernrepertoires flankiert von umfangreichen Dokumentenbänden mit Briefwechseln und Analysen.
In unserem letzten Gespräch vor seinem Tod zeigte er sich einmal mehr besorgt um die Zukunft der Oper und des Regietheaters und schlug Frankfurt als möglichen Ort für eine ›Musterwerkstatt‹ für gelungenes Musiktheater vor. Ich bin sehr glücklich, dass ich ihm guten Gewissens versichern konnte, dass alle an seinem ehemaligen Haus schon jetzt alles für diese Vision geben.«
Thomas Guggeis
Generalmusikdirektor Oper Frankfurt