(…) Bejubelt wurde der (…) Opernschocker The Medium von Gian Carlo Menotti, der als wahnsinnige Totenséance bereits im Sommer 2019 im Bockenheimer Depot Premiere feierte. Regisseur Hans Walter Richter stellte die Inszenierung klug für das Große Haus um und konnte sich in Dshamilja Kaiser über eine ebenso wuchtige Sängerin der sadistischen Madame Flora freuen wie in der Originalbesetzung. Gloria Rehm überzeugte als mitleidvolle Monica, während der 18-jährige Schüler Marek Löcker sein überragendes stummes Spiel vom letzten Sommer wiederholte.
Bettina Boyens / Wieland Aschinger, www.musik-heute.de
(…) Damit ein etwas längerer Abend daraus wird und die Chöre auch wieder für ihr Publikum singen können, hat Weigle eine Art Vorspiel zusammengestellt, das neben Witold Lutosławskis abgründiger Trauermusik für Streichorchester zwei Raritäten bietet, in denen der Opernchor seine Klangkultur wahrscheinlich noch besser ausspielen kann als beim szenischen Einsatz. Die Herren singen, von wenigen tiefen Streichern begleitet, Schuberts Goethe-Vertonung Gesang der Geister über den Wassern, die Damen Vier Gesänge von Johannes Brahms, die durch die aparte Begleitung mit Harfe und zwei Hörnern auffallen. Man kann auch das Konzert-Vorspiel als Inszenierung deuten mit gemessenen Auf- und Abgängen und dem feierlich synchronen Aufklappen der Notenkladden. Dass der zum Kostüm passend schwarze Mund- und Nasenschutz auch beim Singen nicht abgelegt wird, sieht ein wenig gespenstisch aus, Einbußen im Klang sind aber nicht festzustellen.
Johannes Breckner, Wiesbadener Kurier
(…) Ein berührender, ein idealer Beginn: Er macht den unermesslichen Verlust sichtbar, den gerade die singende Zunft zurzeit hinnehmen muss. (…)
Bettina Boyens, Offenbach-Post
(…) Der dritte Abschnitt des ersten Teils, die Trauermusik von Witold Lutosławski (1913-1994), bringt jetzt die Streichergruppen des Orchesters und ihren Dirigenten auf die Bühne. Weniger Verzweiflung als elegische Gemütsruhe strahlt das Werk aus, in dem der Pole mit seiner eigenen Sicht auf Zwölftonreihen experimentiert. Die Zeitgenossenschaft zu Menotti ist damit erreicht, allerdings in ganz anderer Ausformung. (…)
Dshamilja Kaiser [Madame Flora in The Medium] spielt und singt diese pragmatische, vom Unheimlichen oder ihrer eigenen Psyche kalt erwischte Frau mit hingebungsvoller Uneitelkeit. Der rasche Verfall von der alten Dame zur verwirrten Greisin ist beängstigend, aber nicht unrealistisch: der rasende Körper, die auffahrende Stimme. Gloria Rehm ist ihre Tochter Monica mit dem allerliebsten Sopran, eine seltsame Rolle, indem Monica zwar die Unschuld vom Lande ist, aber doch bereitwillig der betrügerischen Mutter zu Diensten. Rehm, eine schöne, etwas kühle Darstellerin, zeigt die Doppelbödigkeit wunderbar mit, ihr Sopran kann lieblich trällern, aber er kann auch anders. In der Luft liegt Lieblosigkeit.
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Regisseur Hans Walter Richter zeigt die unerquickliche Geschichte in Kaspar Glarners dunkelwandigem Gespenstersalon und Cornelia Schmidts dezent historisierenden Kostümen als tüchtiges Schauerstück (…).
(…) Zwar legt Menotti es vom Text her nahe, über die unüberwindbare Gutgläubigkeit der Gobineaus und der jungen Mrs. Nolan den Kopf zu schütteln. Aber Barbara Zechmeister, Simon Neal und Kelsey Lauritano führen die Figuren sanft an der Lachhaftigkeit vorbei.
Das Orchester und Weigle lassen Menottis Musik dabei wenig puccinihaft klingen, es ist ein herber, Straffer Spät-Verismo, der in Frankfurt das Auseinanderfliegen menschlicher Existenzen begleitet. Kein Entrinnen am Ende aus Glarners seinerseits gespenstischem Bühnenbild, denn selbst die Wendeltreppe zum höher gelegenen Ausgang hat sich gegen die Menschen verschworen. (…)
Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau
(…) Das Orchester zeigte sich in Bestform, auch als es zur nachfolgenden Oper wieder im Orchestergraben saß, aller Ausgedünntheit zum Trotz.
Wären die Zeiten andere, würde man mit diesem ersten Programmteil einen dramaturgisch schlüssigen, wie packenden Einstieg zu The Medium von Gian Carlo Menotti, dem Opernwerk des Abends, erlebt haben. (…)
Christiane Franke, www.klassik.com
(…) Die emotional aufwühlende Regie von Hans Walter Richter hatte bereits im Juni 2019 im Bockenheimer Depot Premiere – damals klug kombiniert mit der humoristischen Groteske Satyricon Bruno Madernas. Und auch diesmal schlägt die irre Totenséance wieder zuverlässig ein in das Nervensystem des Zuschauers.
Die grandiosen Neubesetzungen Dshamilja Kaiser (Madame Flora) und Gloria Rehm als unschuldshelle Monica machen den Abend zu einem stimmlichen Fest. Dass der Frankfurter Abiturient Marek Löcker den stummen Zigeunerjungen Toby mimt, dessen Verzweiflung schließlich in einen spektakulären Freitod mündet, trägt entscheidend zum dunklen Stephen-King-Gruseln des Einakters bei.
Bettina Boyens, Frankfurter Neue Presse
(…) Wenn sie selbst die Mutterrolle spielt, kann Flora allerdings unberechenbar und gewalttätig sein, und das kommt zum Vorschein, als sie selbst eingeholt wird vom Schrecken unerklärlicher Ereignisse. Die Gewichte in diesem Familiendreieck sind durch die veränderte Besetzung ein wenig verschoben. Dshamilja Kaiser lässt in ihrem hellen Mezzosopran die berechnende Kälte, aber auch die Verunsicherung dieser Frau hören, Gloria Rehms sehr lyrischer Sopran passt wunderbar für die junge Monica, die zwischen Kindheit und Erwachsenwerden steht und nicht recht weiß, wie sie mit den Gefühlen der Zuneigung von Toby umgehen soll. Wenn sie die ausrastende Mutter mit dem melancholischen Lied von einem schwarzen Schwan besänftigt, hat diese Aufführung ihren Höhepunkt, von dem aus das Verhängnis nur umso zielgerichteter angesteuert wird. Die Sache geht finster aus, und Marek Löcker gestaltet die stumme Rolle des Toby mit großer Eindringlichkeit.
Das ist großes Musiktheater in kleiner Besetzung und unbedingt hörens- und sehenswert. (…)
Johannes Breckner, Darmstädter Echo
(…) Die Oper stand bereits im vergangenen Jahr auf dem Spielplan. Ihre volle Wirkung hat aber erst dieses Jahr angesichts der Ereignisse auf mich durchgeschlagen. Vielleicht auch wegen des klug gewählten Schubert-Brahms-Lutosławski-Vorspiels. Vielleicht auch wegen meines unbedingten Willens, mich endlich, endlich wieder dem lebendigen Klang hingeben zu wollen und berühren zu lassen. Wahrscheinlich wegen des Zusammenspiels dieser beiden Komponenten, angereichert durch die mit jedem Ton wachsende Dankbarkeit es erleben zu dürfen. Weil es eben nicht selbstverständlich ist, Kultur in ihrer besten Form live serviert zu bekommen.
Andrea Richter, www.faustkultur.de
(…) Die Choristen traten allesamt mit Mund-Nasen-Schutz auf, was erfreulicherweise dem klar konturierten und transparenten Klangbild ihrer Wiedergaben keinen Abbruch tat. Auch war die Wortverständlichkeit vorzüglich. Chorleiter Tilman Michael hatte seine Sängerschar hervorragend vorbereitet. (…)
Lars-Erik Gerth, Das Opernglas