Stell’ dir vor, du erwachst, und alles war nur ein Traum. Der Klimawandel. Die Pandemie. Der Krieg. Nein, an diesem Abend erwachen wir nicht aus einem Traum. Es war nur Verführung, großartiges Theater. (…)
Andreas Bomba, Frankfurter Neue Presse
A Midsummer Night’s Dream von Benjamin Britten ist starke Musik. Sinnlich, verträumt, verspielt, vieldeutig im Subtext, am Ende zauberhaft versöhnlich. Mit frenetischem Applaus hat das Premierenpublikum die jüngste Frankfurter Opern-Inszenierung dieser Shakespeare-Adaption im Bockenheimer Depot gefeiert.
Das Klangabenteuer beginnt am rechten Bühnenrand. Dirigent Geoffrey Paterson gestaltet gestenreich, was sich im Orchester zusammenfügt. Auf- und abrollende Glissandi versetzen die Hände des ersten Stars an diesem Abend in fiebrige Bewegungen. Es ist der Kinderchor der Oper Frankfurt. Álvaro Corral Matute hat ihn auf diese Rolle stimmlich vorbereitet, [fast] durchweg Mädchen. Glockenrein ist ihr Gesang, harmonisch ihre Bewegungen zur Musik.
(…) ein ausnahmslos hervorragend besetztes Ensemble, das die Entfesselung im Spiel mit der Lust am kunstvollen Gesang überzeugend verband und in Mimik und Gestik ausdrückte, was die Musik jenseits des Klangs suggerierte. Und mit dem Schauspieler Frank Albrecht in der Rolle des Puck beschwor Fassbaender Shakespeares Geist herauf.
Christiane Franke, www.klassik.com
(…) Die Menschen (…) stehen auf dem finsteren Boden der Tatsachen und des spannend ausgeleuchteten (Jan Hartmann), aber nackten Depots: Junge Leute halt, aber das ist auch nicht wenig. Denn unter der Regie von Brigitte Fassbaender bleibt es nicht beim neckischen Ausstattungstheater, das ist lediglich die Grundlage für das pulsierende zwischenmenschliche Miteinander, das Einander-Umkreisen, das Neugierig-Sein und, ja, auch die Angst voreinander. Puck, der Frechdachs, hat in Frankfurt fast immer Angst.
(…)
Die Feenwelt ist durch die äußere Transformation zugleich aller herkömmlicher menschlicher Regulierungen enthoben, während die Menschen sich selbst zu spielen scheinen, so natürlich (jedenfalls: vertraut) wirken sie. Jede Sphäre bleibt für sich: Monika Buczkowska und Danylo Matviienko, Tamara Gura und Michael Porter sind Helena und Demetrius, Hermia und Lysander, die sich alle im Wald verlieren und wiederfinden oder überhaupt finden müssen. (…)
Keine Knallchargen, sondern Menschen bei Fassbaender auch die Handwerker. Menschen, die etwas können, aber schauspielern können sie nicht. Mit mächtigem Bass führt Barnaby Rea sie als „Lasst mich den Löwen auch noch spielen“-Zettel an. Ihm wird diesmal besonders derb mitgespielt, indem die Inszenierung die Doppelbedeutung des englischen Wortes „Ass“ ausnutzt. Seine Kumpane, Magnús Baldvinsson und Brian Michael Moore, Gabriel Rollinson, Theo Lebow und Jonathan Macker, sind ihrerseits auf Draht. Wie in der insgesamt erstklassigen Besetzung nichts vergeudet wird, keiner beiseite bleibt (in einem Stück, in dem andauernd jemand beiseite bleibt). (…)
Der geschmeidige Countertenor Cameron Shahbazi und die Sopranistin Kateryna Kasper stellen das pompöse Elfenkönigspaar dar, Thomas Faulkner und Zanda Švēde sind nachher das hier friedfertige weltliche Paar Theseus und Hippolyta. Kurz währen die Irritationen (…), lange währt das Happyend.
Fassbaender klärt sogar auf, was aus dem indischen Knaben wird. Das hat einen immer ein wenig belastet, das Kind, das in der Gemengelage überflüssig wird. Einmal aber muss alles gut werden. Diesmal ist es so weit. Das Glück, sieh an, ist nicht banal, es ist zum Weinen schön.
Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau
(…) Was aber ist, wenn man beim Erwachen jemand anderen liebt als beim Einschlafen? (…) Selbstbewusste Frauen, ungestüme Männer, aber die Liebe schlägt um in Zank und Streit. Krieg eben, handgreiflich, befeuert durch die deftig lautmalerische Musik. Es kommt noch besser in diesem imaginären Wald-Athen. Theseus (Thomas Faulkner) und Hippolyta (Zanda Švēde) wollen heiraten. Sechs Handwerker, an ihrer Spitze Peter Quince (Magnús Baldvinsson) und der Weber Bottom (Barnaby Rea, dem die Kostümbildnerin Anna-Sophie Lienbacher nicht Eselsohren, sondern einen dicken Hintern auf den Kopf setzt), werden dazu ein Laientheater in Szene setzen, um die drei Stunden zwischen Hochzeitsessen und Zubettgehen zu verkürzen.
Diese höchst traurige Komödie um Pyramus und Tisbe und den Mond, eine Wand und einen Löwen wirkt wie improvisiert, die Sänger dürfen schauspielern und mal richtig dick auftragen, umwerfend komisch, unbeschreiblich absurd. Die unbeteiligten Paare nehmen auf den mittlerweile fragmentierten Bühnenelementen Platz und kugeln sich vor Lachen. Wie auch das Publikum. (…)
Andreas Bomba, Offenbach-Post